Jakobikirche
Die Geschichte der Jakobikirche
Die Pfarrkirche St. Jakobi in der Altstadt steht auf den Fundamenten einer kleineren Vorgängerkirche. Sie war schon auf dem ersten Stadtsiegel von 1248 zu erkennen. Einzelne Fundamente davon sind bis heute erhalten.
Nach dem großen Stadtbrand von 1478 wurde die Kirche neu erbaut. Die erste Nachricht über diese Kirche, stammt aus dem Jahr 1495, als die Weihe stattfand. Zu dieser Zeit war vermutlich das älteste Bauteil, die Sakristei (die südlich am Chor lehnt), und der eingewölbte Chor fertig. Der Chor hat zwei Joche mit Kreuzgewölben und endet mit einer polygonalen Apsis mit 5/8-Schluß.
Danach wurde die neue Kirchenhalle westlich vor den Chor angesetzt. Die Halle wurde nicht symmetrisch an den Chor angebaut. Die südliche Hallenwand ragt nur etwa einen Meter aus der Flucht der südlichen Chorwand heraus, während die nördliche Hallenwand etwa vier Meter aus der Flucht der nördlichen Chorwand heraus ragt. Die außen liegenden Strebepfeiler und einige Konsolansätze in der Kirche, weisen darauf hin, dass man auch die Kirchenhalle einwölben wollte. Ob dies geschah ist nicht mehr nachweisbar, die flache Holzdecke war jedenfalls im Jahre 1595 fertig.
Den Kirchenturm baute man an die nördliche Kirchenseite, zwischen dem Chor und der hier weit hervorragenden östlichen Hallenwand. Der Bau soll um 1500 begonnen worden sein und endete 1548, als man dem Turm ein viertes Fachwerkstockwerk aufsetzte. So ist der Turm auch in der Topographia Hassiae von Matthäus Merian aus dem Jahr 1655 abgebildet. Diesen Fachwerkaufbau riss man im Jahre 1788 ab und setzte dem Turm 1819 seinen klassizistischen Turmabschluss auf. So ist der Turm heute zu sehen.
Bei den Maßwerken aller elf Fenster in der Kirche, dominiert das Ornament der Fischblase, in unterschiedlichen Erscheinungsformen.
Am Westportal sind noch eingravierte alte Maße (Klafter, Mesgert) zu sehen und an den Strebepfeilern der Südwand befinden sich alte Steinmetzzeichen.
Der Innenraum ist geprägt durch die zahlreichen Einbauten, die eingeschossige Empore im Seitenschiff, die zweigeschossige Empore im Westen des Langhauses und die Chorempore im Osten mit der Orgel aus dem Jahr 1556. Es war eine Orgel mit 15 Stimmen, die im dreißigjährigen Krieg stark beschädigt wurde. Daher wurde sie im Jahr 1682 von Friedrich Schäffer aus Langensalza im Renaissancestil restauriert. Hinter dem historischen Prospekt befindet sich eine Orgel der Firma Noeske mit drei Manualen und 30 Registern.
Der von sechs korinthischen Säulen getragene Altar wurde 1581 für die Kapelle des Rotenburger Schlosses aus Alabaster erbaut. Erbauer war der Hofbildhauer Wilhelm Vernukken, der dafür den Auftrag von Landgraf Wilhelm IV. erhielt. Als die Schlosskapelle 1790 abgerissen wurde, kam der Altar in die Kirche. Die im Renaissancestil (zum Teil schon mit barocken Anklängen) gehaltene Kanzel kam 1663, als Stiftung des fürstlich hessisch-rheinfelsischen Oberrentmeisters Michael Dölle, in die Kirche.
Im Turm der Jakobikirche läuten fünf Glocken, deren älteste aus dem Jahr 1482 stammt.
Die Glocken der Jakobikirche
Auf dem Turm der Jakobikirche befinden sich sechs Glocken, von denen eine Glocke zurzeit stumm außen am Turm hängt. Fünf Glocken rufen die Gemeinde zum Gebet und zum Gottesdienst. Dabei ist eine der ältesten läutenden Glocken Deutschlands. Sie wurde im Jahre 1482 gegossen und ist somit ein Kleinod von kulturgeschichtlichem Wert, aber auch an Klang. Sie trägt an der Krone die Aufschrift „in honore sancti Iacobi et Theodoli anno domini MCCCCLXXXII“ (Zu Ehren des Heiligen Jakobus und Theodolus im Jahre des Herrn 1482). Auf dem Mantel ist ein Georgsritter abgebildet. 1942 musste sie wie andere Glocken abgeliefert werden. In der Chronik der Altstädter Gemeinde ist dazu geschrieben: „In Folge der Fortdauer des Krieges wurde die Abgabe der Bronzekirchenglocken zwecks Einschmelzung angeordnet. Auch die Altstädter Glocken wurden davon betroffen und am 21. Februar 1942 feierlich bekränzt mit Lastauto nach Bebra gebracht. Am 14. Dezember 1941 (3. Advent) hatte in der Altstädter Kirche abends 20 Uhr eine Glockenabschiedsfeier stattgefunden. Es war dies – soweit bekannt – die letzte Glockenabschiedsfeier im Kreis, die nicht durch Partei- und Staatsbehörden verboten wurde.“
Glücklicherweise wurde die Glocke nicht eingeschmolzen. 1948 wurde sie auf dem Glockenfriedhof des Hamburger Hafens gefunden und im April wieder nach Rotenburg gebracht, wo sie feierlich eingeholt wurde.
Außer der Glocke von 1482, wurde auch die an Stelle einer im 1. Weltkrieg abgelieferten Glocke, die eine besondere Geschichte hatte und für die 1926 mit Spendengeldern von Gemeindegliedern eine Ersatzglocke beschafft wurde, abgeholt. Die Inschrift im oberen Rand lautete: „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde – Im Jahre des Heils 1926 goss mich F.V. Rincker in Sinn Nr. 3559.“ Auf dem Glockenmantel stand: „Den Gefallenen, die auf Gott Hoffenden.“ Leider wurde diese Glocke nicht mehr aufgefunden.
Der Stadtschreiber Fürer berichtet 1835 über die im 1. Weltkrieg abgeholte Glocke: „Am zweiten Christfeiertage abends bei dem Läuten der 8ten Stunde wurde unsere Altstädter zweite Glocke durch Vergrößerung des schon früher gehabten Sprunges ganz unbrauchbar. Wegen Umgießens sind bereits die nöthigen Schritte eingeleitet.“ – Und 1836: „Am 21. Mai 1836 wurde die gesprungene zweite Glocke auf dem Thurm der Jakobikirche, nachdem sie von dem Glockengießer Johannes Teutschmann zu Holzhausen umgegoßen wurde, wieder aufgehängt. Dieselbe führte die Inschrift:
FRIEDEN DIESER STADT BEDEUTE
FREUDE SEI DEIN ERST‘S GELÄUTE
unter Zufügung der Namen der Glockengießer, der Pfarrer Bürgermeisters.“ Das eigentliche Gußjahr war das Jahr 1512.
Das Sturmglöckchen bei Feuersbrünsten, auch „Kaffeeglöckchen“ genannt, da sie in früheren Zeiten zur Vesperzeit geläutet wurde, wurde nicht für kriegswichtige Zwecke vom Turm genommen. Bis 1942 hatte man sie nicht geläutet, da ihr Ton unschön und bimmelnd war. Sie wird in die Zeit um 1300 datiert. Es gibt an ihr keine Inschrift, die auf den Guss schließen lässt. Ab 1942 vertrat sie, so gut sie es konnte, die neu zu beschaffenden Glocken.
Auch die aus dem Jahre 1488 stammende Glocke, die starr im Turm aufgehängt war und dem Viertelstundenschlag diente, wurde abgeholt. Sie hatte keine Inschrift nur ein Kreuz auf dem Mantel. Sie kehrte beschädigt und unbrauchbar vom Glockenfriedhof in Hamburg zurück.
1954 konnte die Gemeinde dann wieder eine neue Glocke – die zweite – am zweiten Pfingsttag begrüßen. Sie trägt die Aufschrift „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ – „Die Gemeinde ihren gefallenen Gliedern“. 1967 wurde die Glocke „Soli Deo Gloria““ gegossen und kam 1968 mit zwei weitere
Die Orgel der Jakobikirche
Besonders wichtig für den Gesamteindruck der Kirche ist die Orgel. 1556 wird sie erstmals genannt, anlässlich einer Reparatur durch den Orgelbauer Henrich Lohrengel aus Eisenach. Wenige Jahrzehnte später wird der Name Weißland im Zusammenhang mit einem geplanten Neubau genannt. Ein solcher erfolgt dann auch im Jahre 1603, gestiftet vom Landgrafen Moritz (gewissermaßen ein Augleich für die sonstige Bilderstürmerei). 1604 bemalte diesen Prospekt der Meister Reitz aus Hersfeld. Lucae berichtet, dass die Orgel im Dreißigjährigen Krieg Schaden genommen habe; so wurde ein abermaliger Neubau notwendig. Von ihm berichtet uns die Inschrift an der Orgel „ANNO CHRISTI MDCLXXXII“. Jost Schäffer aus Kirchheilingen bei Langensalza erbaute 1682 die Orgel mit 15 Stimmen neu (Teile des Werkes mag er übernommen haben, stellte es aber in Eschwege, wo er damals arbeitete, ganz neu zusammen). Das Gehäuse wurde von Rotenburger Schreinern nach seiner Anweisung verfertigt. Schäffers andere Werke in der Umgebung (Altstadtorgel in Eschwege 1677/79, Nentershausen 1696) zeigen die Leistungshöhe dieses Meisters.
Man hat lange Zeit darüber gerätselt, ob der heutige Prospekt der Altstadtorgel wohl aus dem Jahre 1682, wie ja die Inschrift besagt, oder von 1603 übernommen sei. Die Ornamentkunde gibt uns hier einwandfrei Auskunft: solch zierliches und doch großzügiges Knorpelwerk, wie in den Kronen, Behängen und Ohren des Gehäuses kann nur 1682 entstanden sein. Man braucht im übrigen nur die beiden anderen Orgelgehäuse Schäffers zu betrachten, um genau zu erkennen, dass auch das Rotenburger seiner Werkstatt entstammt; so sind die Bekrönungen in Nentershausen und Rotenburg fast die gleichen. Wenige Jahre später vermehrte man das Werk um drei Stimmen; der Prospekt erhielt damals die fein geschwungenen Flügel mit dem zierlichen, lockeren Akantusornament und den Füllhörnern in den so genannten „Ohren“. 1780 beging man die Unvorsichtigkeit, eine notwendig gewordene Reparatur der Orgel dem bankrott gegangenen Orgelbauer Schlottmann aus Friedewald anzuvertrauen. Es wundert daher nicht, dass man 15 Jahre später schon wieder neue Gutachten und Reparaturen für notwendig fand; diesmal aber wurde ein bewährter Orgelbauer zu Rate gezogen:
Johann Wilhelm Schmerbach aus Frieda bei Eschwege. 1787 hatte er die neue Orgel in Braach gebaut. Schmerbach erweiterte die Orgel um 4 Register; die Bälge und Windkanäle brachte er mit neuer Belederung in Ordnung. Diese Arbeiten hatte er im Rathaussaal vorgenommen, der ihm dafür zur Verfügung gestellt worden war; als es nun galt, die Orgel wieder spielfähig zu machen, ergab sich eine Schwierigkeit. Man hatte ja die Bälge bisher in der oberen Sakristei untergebracht; neu hergerichtet, wie sie waren, konnte man sie aber jetzt weder über die winkelige Treppe hinauftransportieren, noch durch die schmale Öffnung von der Kirche her hineinzwängen. Es wäre notwendig gewesen, ein größeres Stück Wand auszubrechen. Schmerbach jedoch machte einen anderen Vorschlag und der Reservaten-Commissar Martin, der die Interessen der Landesherrschaft in der Rotenburger Quart zu vertreten hatte, unterstützte ihn in einem Schreiben an das Consistorium. Mit dessen alsbald eintreffender Genehmigung wurde die Orgel nach Abschluss der Arbeiten 1800/01 verlegt: sie kam auf die östliche Hauptempore, die damalige Kantorei.
Klagen über die nun zu große Dunkelheit im Chorraum wurde 1815 durch den Einbruch eines zweiten unteren Fensters begegnet (das erste war schon 1656 und die Tür 1670 eingebrochen worden). Hauptursache für die Verdunklung war aber nicht die Orgel, sondern die schon zuvor vorhandene Empore. So war es denn auch fadenscheinig, wenn aus diesem Grunde 1845 vom Pfarrer die Verlegung der Orgel aus dem Chor nach Westen an die Stelle der Oberempore von 1731 verlangt wurde. Noch Schlimmeres droht: der Orgelbauer wollte einem „gothaischen“ (nämlich einen pseudogotischen) Prospekt an die Stelle des alten setzen und auch das Werk so gut wie neu machen. So drohte der Orgel die völlige Vernichtung, und nicht nur ihr; denn der Pfarrer beabsichtigte auch, aus der Kirche selbst ein pseudogotisches Schaustück zu machen, das er dem ursprünglichen Zustand für angemessen hielt. Alle weltlichen und geistlichen Gewalten vereinigten sich mit den verschiedentlichsten Argumenten, um die Modernisierung – denn nur darum ging es – durchzusetzen; aber der eine, der das bezahlen sollte – der Stadtrat – streikte. Schließlich fielen dem sechsjährigen Streit nur die Kirchenstände im Chor zum Opfer; Orgel und Kirche aber blieben der Nachwelt erhalten, wofür wir dem Rotenburger Stadtrat nicht dankbar genug sein können.
Seit der Erneuerung des Jahres 1881 haben Mitglieder der Orgelbauerfamilie Möller die Orgel in ihrer Pflege. Ihr Platz ist seit 1800 der im Chor, hinter dem Altar, mit der Front zur Gemeinde; man darf sagen, dass es dieser Platz ist, der einer Orgel im protestantischen Gotteshaus eigentlich zukommt. Und es ist überdies Erfüllung einer alten Tradition: dass Altar und Kanzel, Taufstein und Orgel an e i n e r Seite der Kirche dem Gläubigen gegenüber vereinigt sein sollten. Dies ist die große Entdeckung, die Landgraf Wilhelm IV. für den protestantischen Kirchenbau gemacht hatte.
Im Jahre 1962 musste die Orgel gründlich erneuert werden, da eine einfache Reparatur nicht mehr möglich wat In zahlreichen Verhandlungen mit den zuständigen Sachverständigen wurden zuvor die Möglichkeiten einer Reparatur, eines Umbaues, ja sogar die Möglichkeit eines Neubaues überprüft. Nachdem die Orgel abgebaut war stellte sich heraus, dass neben der alten wertvollen Renaissancefassade, die einst ein vollkommen geschlossenes Renaissancegehäuse bildete, nur wenige Teile des Inneren Verwendung finden konnte. Ein Holz- und zwei Metallregister, deren Bau wahrscheinlich auf das Jahr 1682 zurückgeht, konnten übernommen werden. Ebenfalls wurde eine Windlade der alten Orgel nach sorgfältiger Instandsetzung wieder verwertet. Alle übrigen Teile mussten, bis auf die Fassade, neu gebaut werden. Die Arbeiten wurden von der Rotenburger Orgelwerkstatt Dieter Noeske (Nachfolgefirma der Orgelbauwerkstatt Möller) ausgeführt. Vor Beginn der Erneuerungsarbeiten hatte die Orgel 21 klingende Register mit 1050 Pfeifen.
In den Jahren 1988/89 wurden eine Reihe von Veränderungen an dem alten Instrument vorgenommen, so dass nun ein teilrekonstruiertes Orgelwerk mit 30 klingenden Registern zur Verfügung steht, das ein Hauptwerk, ein Brustpositiv und ein Echowerk im Vordergehäuse und das Pedalwerk in einem selbstständigen Hintergehäuse beherbergt. 1995 wurde das Orgelgehäuse restauriert und erstrahlt nun im neuen Glanz.